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Experten und Publikum sind sich einig: Betrug gibt es überall, und zusätzliche Kontrollmaßnahmen tragen zu mehr Bio-Integrität bei.

Anlässlich einer Online-Session am 17. Februar auf dem diesjährigen Biofach-Kongress kamen internationale Experten und ein engagiertes Publikum hinsichtlich der Frage: "Ist Osteuropa ein Hotspot für Bio-Betrug? Initiativen zur Demonstration von Bio-Integrität aus Ländern der Region" zu interessanten Schlussfolgerungen.

Nicht nur osteuropäische Länder haben mit Betrug im Öko-Sektor zu kämpfen, auch westliche Länder sind immer wieder von Skandalen betroffen. Globale Märkte verlangen eine intensive Zusammenarbeit aller Beteiligten und die gemeinsame Umsetzung von gezielten Strategien, damit solche Betrügereien verhindert werden können.

Auf Einladung der Deutsch-Ukrainischen Kooperation Ökolandbau (COA) moderierten Elisabeth Rüegg (COA-Teamleiterin) und Stefanie Maak (AFC Consulting) zusammen mit Konrad Hauptfleisch (Starfish Organic) eine fruchtbare Diskussion zu diesem Thema. Sie wurden von einem Panel von 5 Experten aus Mittel- und Osteuropa, Asien und den USA unterstützt. Die Sitzung war so angelegt, dass nicht nur die Experten zu Wort kamen, sondern auch ein Online-Publikum von über 70 Teilnehmern sich durch eine Reihe von Slido-Umfragen aktiv beteiligen konnte.

Die beiden Vertreter von Öko-Kontrollstellen - Samanta Rosi Belliere von ICEA Italien und Sergiy Galashevskiy von Organic Standard Ukraine – vertraten die Ansicht, dass die Frage zum Thema „Hotspot“ nicht mit einem einfachen "Ja" oder "Nein" zu beantworten ist und stellten damit die Vermutung des Publikums, dass Osteuropa als Hotspot für Bio-Betrug anzusehen ist,  in Frage. Laut Frau Rosi gibt es überall Betrug, und Risiken bestehen nicht nur außerhalb Europas, sondern vor allem auch innerhalb. Entscheidend ist, sich auf Produktlieferketten zu konzentrieren, die ein hohes Risiko darstellen, anstatt einfach Länder oder Regionen als "riskant" zu bezeichnen. Herr Galashevskiy wies darauf hin, dass TRACES - das Online Trade Control and Expert System - für jeden Bio-Import in die Europäische Union erforderlich ist, was positiv zur Transparenz der Lieferketten beigetragen hat. Dies führte auch zu einer deutlichen Reduzierung von Betrugsfällen aus dem osteuropäischen Raum. Er betonte außerdem die ordnungsgemäße Risikobewertung entlang der Wertschöpfungskette und die Umsetzung von Präventivmaßnahmen - diese werden mit der Anwendung der neuen Verordnung (EU) 2018/848 ohnehin verpflichtend sein. Die Öko-Kontrollstellen spielen eine wichtige Rolle wenn es um die Sicherstellung solcher effektiver Verfahren auf der Ebene der zertifizierten Betrieben geht.

Miles McEvoy, früherer Direktor des US-amerikanischen National Organic Program (NOP), zeigte sich ebenfalls positiv hinsichtlich der Gefahr von Betrügereien mit Öko-Produkten aus Osteuropa und stellte fest: „Als Berater sehe in den letzten Jahren stark verbesserte Risikobewertungen in den Lieferketten aus Osteuropa, eine bessere Schulung von Experten und Interessensvertretern, sowie eine striktere Umsetzung von Kontrollen. Ertragsschätzungen und Massenbilanzberechnungen auf Betriebsebene zu Beginn des Zertifizierungsprozesses sind entscheidende Faktoren; die potenziellen Mengen, die produziert, verarbeitet und gehandelt werden, müssen genau abgeschätzt und quantifiziert werden; insgesamt spielen Verbände bei der Betrugsbekämpfung eine wichtige Rolle“. Weiter führte er aus, dass Betrug nicht auf bestimmte Regionen konzentriert werden kann, sondern eher spezifische Lieferketten betrifft. "Komplexe (lange) Lieferketten", gefolgt von "Landwirten" und "Händlern" wurde auch vom Publikum als mit grösstem Risiko behaftet eingeschätzt.

Jasurbek Rustamov, Langzeitexperte des Deutsch-Kasachischen Agrarpolitischen Dialogs (APD), präsentierte eine Sichtweise aus Kasachstan - einem weiteren Land, das von Bio-Betrugsvorwürfen betroffen ist. Als Hauptrisiko in kasachischen Bio-Lieferketten betrachtet er den Einsatz von Pestiziden - häufig nicht mit der konkreten Absicht, Betrug zu begehen, sondern aufgrund von fehlendem Wissen und mangelnder Ausbildung. Dies ist vor allem ein Problem auf teilumgestellten Betrieben mit einem konventionellen Betriebsteil; dort gibt es ein zusätzliches Risiko der Vermischung von unterschiedlichen Qualitäten, z.B. während der Lagerung. Umso wichtiger ist ein effizientes Risikomanagement und die Überwachung vorbeugender Maßnahmen. Das Publikum wünschte sich an dieser Stelle mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette als wichtigstes Werkzeug im Kampf gegen Betrug. Herr Rustamov erklärte weiter, dass sich die kasachische Regierung der Betrugsrisiken sehr wohl bewusst ist und hart daran arbeitet, die Situation zu verbessern. Das zuständige Ministerium sucht aktiv den Austausch und die Diskussion mit der EU und plant ein technisches Komitee unter Beteiligung der wichtigsten Stakeholdergruppen zu diesem Thema einzusetzen. Zum Abschluss betonte Herr Rustamov die Bedeutung von Geberprojekten, wie sie derzeit von AFC und IAK im Rahmen des bilateralen Kooperationsprogramms des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durchgeführt werden. Weiter führte er aus: „Solche Interventionen tragen dazu bei, lokale Expertise durch Training und Wissenstransfer aufzubauen. Die bilateralen Projekte würden außerdem eine wichtige Vermittlerrolle zwischen der EU und den zuständigen Behörden in den Zielländern einnehmen“.

Im letzten Teil der Podiumsdiskussion erläuterte Richard Moody, Experte für Agrarpolitik im Projekt Agritrade Ukraine, die Auswirkungen der EU-Gesetzgebung auf das ökologische Handelsumfeld: „Die zusätzlichen EU-Kontrollmaßnahmen für Länder dieser Region (u.a. der Ukraine und Kasachstan) sind als angemessener Beitrag zur einer verbesserten Risikobewertung anzusehen; sie seien weder als Bestrafung noch als Handelsbeschränkung gedacht“. Herr Moody führte weiter aus, dass solche Entscheidungen auf Risikobewertungen zu einem bestimmten Zeitpunkt beruhen. Obwohl kein formaler Prozess zur Aufhebung dieser zusätzlichen Kontrollmaßnahmen bekannt ist, sollten die zuständigen Behörden und Öko-Kontrollstellen der betroffenen Länder bestrebt sein, Nachweise über eine verbesserte Konformität und die Umsetzung des nationalen Kontrollsystems in Übereinstimmung mit den EU-Anforderungen zu erbringen und aktiv zu kommunizieren. Solche positiven Maßnahmen könnten dann am Anfang eines Prozesses zur Aufhebung des zusätzlichen Kontrollregimes in naher Zukunft stehen. Weiter vertrat Herr Moody die Ansicht, dass eine mit der EU-Verordnung weitgehend harmonisierte, nationale Öko-Gesetzgebung das Vertrauen in die ökologische Integrität der im Land erzeugten Produkte durchaus stärken kann – dies obwohl sich die neue EU-Öko-Verordnung 2018/848 von einem flexibleren Äquivalenzansatz weg, hin zu einer konformen Einhaltung der Vorschriften bewegt. Dieser Meinung schlossen sich die Zuhörer mehrheitlich an, die zu 74% Bio-Standards, Vorschriften und Zertifizierung als aktiven Verbraucherschutz beurteilten und die Rolle der Gesetzgebung in der Sicherstellung der "strikten Einhaltung" von Produktionsvorschriften sahen.

Zum Abschluss der Veranstaltung fasste Elisabeth Rüegg die wichtigsten Ergebnisse der Podiumsdiskussion zusammen. Als Fazit bleibt festzustellen, dass die EU heute nach den USA der zweitgrößte Markt für Öko-Produkte ist. Zusammen machen sie 80 % des Weltmarktes aus, und ihre Handelsanforderungen werden auch weiterhin die nationale Gesetzgebung in einzelnen Ländern und deren Kontrollsysteme, und damit die Entwicklung des globalen Öko-Sektors insgesamt, beeinflussen.

Quelle: COA

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